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Mitreden, warum?

Mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) im Jahr 2003 wurden die gesetzlichen Grundlagen für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen durch Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter gemäß § 140 f SGB V geschaffen. Das Gesetz ist am 1. Januar 2004 in Kraft getreten.

Ziel der Einführung von Beteiligungsrechten im Gesundheitswesen war die Stärkung der Patientensouveränität und Patientenrechte.

Aus Sicht des damaligen Gesetzgebers sollten Patienten zu Partnern und die Transparenz der Leistungserbringung für die Patienten verbessert werden. „Sie wissen besser was läuftund achten selbst mit auf eine gute Versorgung. Gut informierte Patienten werden zur Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen beitragen“ (Eckpunkte zur Modernisierung des Gesundheitswesens, Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Stand: 5. Februar 2003).

Besonders gelungen an dieser Regelung ist, dass mit der Selbsthilfe die Betroffenen und ihre Interessenvertretung selbst angehört und mitberatend einbezogen werden. So können chronisch kranke und behinderte Menschen und ihre Interessenvertretung ihre Sicht als Patientinnen und Patienten in wichtigen Gremien der gesundheitlichen Versorgung einbringen und damit Einfluss nehmen auf die Diskussionsverläufe in den Gremien. Die Auswahl der anerkannten Organisationen ist umfassend und ermöglicht eine Interessenvertretung aus unterschiedlichen Perspektiven.

Mit dem Begriff Patientenbeteiligung sind alle Beteiligungsmöglichkeiten gemeint, die im Zusammenhang mit § 140f SGB V stehen.

Seit Einführung der Patientenbeteiligung ist gesetzlich vorgeschrieben, dass die Interessenvertretung der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen ein Mitberatungsrecht in solchen Gremien erhalten, die sich mit der medizinischen Versorgung für gesetzlich versicherte Menschen in Deutschland befassen.

Die Interessenvertretung der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen wird kurz Patientenvertretung genannt. Mit dem Begriff Mitberatungsrecht wurde gesetzlich festgelegt, dass die Patientenvertretung an den Beratungen teilnimmt, bei den Beschlüssen jedoch nicht stimmberechtigt ist.

Eine Mitberatung der Patientenvertretung erfolgt auf Bundesebene zum Beispiel beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Er beschließt in Form von Richtlinien, welche Leistungen durch die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) im Einzelnen erbracht werden dürfen. Dazu zählen unter anderem Maßnahmen der ärztlichen und zahnärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung. Dabei geht es zum Beispiel um neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden, darum, welche Arzneimittel oder Hilfsmittel verschrieben werden dürfen oder um den Anspruch von Versicherten auf Übernahme der Kosten für einen Krankentransport.

Auf Landesebene erfolgt eine Patientenbeteiligung unter anderem in den Zulassungs- und Landesausschüssen, die über die jeweiligen Arztsitze in einer Region befinden. Die Anzahl der Haus- und Fachärztinnen und -ärzte pro Einwohner/in wird von der Bedarfsplanungsrichtlinie des G-BA vorgegeben. Die Kassenärztlichen Vereinigungen auf Landesebene haben sicherzustellen, dass ausreichend Ärztinnen und Ärzte für alle gesetzlich Versicherten zur Verfügung stehen.  Deshalb müssen sie, auch wenn die vorgegebene Anzahl an Ärztinnen und Ärzten bereits vorhanden ist, manchmal zusätzliche Versorgungsangebote zulassen (Sonderbedarf). Darüber entschieden wird in den dafür zuständigen Zulassungsausschüssen.

Die durch den Gesetzgeber ermöglichte Beratungsbeteiligung zielt darauf, dass Erfahrungen aus eigenem Erleben durch Betroffene aus Selbsthilfegruppen eingebracht werden können.

Zudem können solche Erfahrungen auch durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtungen, die Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichen Anliegen beraten und unterstützen, eingebracht werden.

Erfahrungswissen aus eigener Betroffenheit
Gemeinschaftliche Selbsthilfe ist grundsätzlich lebens- und alltagsnah, sie ist ganzheitlich ausgerichtet. Die Aktivitäten in einer gesundheitsbezogenen Selbsthilfegruppe beziehen sich auf die Entwicklung von Bewältigungsstrategien, die den Umgang mit einer Erkrankung und ihren Folgen für den Lebensalltag ermöglichen oder erleichtern können. Selbsthilfegruppenmitglieder entwickeln aus ihrer eigenen Betroffenheit, aus ihrem persönlichen Umgang mit der Erkrankung und aus ihrem Erfahrungsaustausch in der Gruppe eine besondere Kompetenz: die Betroffenenkompetenz.

Über die anerkannten Selbsthilfe-, Behinderten- und Sozialverbände können die Mitglieder von Selbsthilfegruppen und ihre Interessenvertretung diese Kompetenz selbst in die Gremien zur Mitberatung von Fragen der medizinischen Versorgung einbringen.

Wissen aus der Beratung und der Selbsthilfeunterstützung
Zudem sind die Organisationen aus den Bereichen der Patientenberatung (Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen - BAGP), des Verbraucherschutzes (Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. - vzbv) und der Selbsthilfeunterstützung (Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. - DAG SHG) als maßgebliche Organisationen anerkannt. Diese können ihre Erfahrungen aus der Beratung von Patientinnen und Patienten und aus der Unterstützung von Selbsthilfegruppen einbringen.

Im Rahmen der Mitberatung können Patientenvertreterinnen und -vertreter Schwachstellen in der Versorgung benennen und dadurch Änderungen herbeiführen.

In dem Leitbild der Patientenvertretung beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) wird beschrieben, dass die Patientenvertretung beharrlich Schwachstellen der Versorgung offenlegt und Defizite benennt. Ziel ist, „die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern und Transparenz zu erreichen.“ Es geht also nicht nur um einzelne Entscheidungen der Selbstverwaltungsorgane, sondern auch um langfristige Ziele. Die sind unter anderem in diesem Leitbild beschrieben: „Wir arbeiten auf ein Gesundheitswesen hin, das allen einen gleichberechtigten Zugang bietet. Wir kämpfen für Inklusion und Barrierefreiheit in allen Bereichen.“

In allen Gremien gibt es immer wieder Situationen, in denen auch kurzfristig Entscheidungen zugunsten Betroffener herbeigeführt werden, die ohne die Mitberatung anders ausgefallen wären. Hierzu konnten Erfahrungen aus der Versorgungsrealität überzeugend eingebracht werden. Dadurch wurden Perspektiven berücksichtigt, die aus Sicht von Betroffenen wichtig sind.

 

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Leitbild der Patientenvertretung im Gemeinsamen Bundesausschuss (Auszug)
Arbeitsweise und Verfahren der Patientenbeteiligung nach § 140f SGB V. Patient und Selbsthilfe, Band 2
NAKOS | 2014

Eckpunkte zur Modernisierung des Gesundheitswesens. Bundesministerium für Gesundheit, 2003