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Wir passen in keine der gegenwärtigen Strukturen so richtig rein

Von Petra Hohn (Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V.)

"Bestimmte Themen finden einfach weniger Beachtung."

Wir sind froh, dass wir hiermit die Möglichkeit erhalten, uns zum dem Thema „Vertretung von Interessen“ zu äußern und dabei unsere Erfahrungen in diesem Zusammenhang darzustellen. Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass es eine große Anzahl an Selbsthilfeorganisationen gibt, die alle eine sehr engagierte und sehr wichtige Arbeit leisten. Um dabei eine hohe Qualität zu bieten, ist es notwendig, dass die Organisationen wirksame Unterstützung erhalten.

Wir haben den Eindruck, dass es in großem Maße von dem jeweiligen Schwerpunkt abhängt, ob die Unterstützung intensiver ist oder eben bestimmte Themen, wie das unsere, einfach weniger Beachtung finden. Wir als Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V. machen immer wieder die Erfahrung, dass wir in keine der gegenwärtigen Strukturen so richtig reinpassen. Zu sagen, wir bekommen keine Unterstützung, das wäre nicht richtig, aber die bisherigen Hilfen reichen nicht aus.

Die Leistungen, die wir erhalten, sind für unsere Arbeit kein stabiles Fundament. Es ist deshalb sehr schwer, eine kontinuierliche Arbeit abzusichern. Oftmals stellt sich uns die Frage, ob und wie wir in der Perspektive überhaupt dauerhaft fortbestehen können. An dieser Stelle möchten wir darauf eingehen, worin unsere Arbeit besteht und somit unser spezielles Problem verdeutlichen. Unseren Bundesverband gibt es seit 17 Jahren, mit seinem Geschäftssitz in Leipzig seit 2006. Wir helfen deutschlandweit Eltern, die ein Kind verloren haben. Wir geben Betroffenen erste Hilfe, sind am Telefon ein wichtiger Zuhörer. Wir beraten in Einzelgesprächen und vermitteln sie in Selbsthilfegruppen vor Ort. So wurden im Jahr 2013 durch den Bundesverband 75.000 Betroffene betreut. Leider ist die Unterstützung unserer Arbeit sehr gering. Die Kinder sind gestorben, die Familien müssen lernen, mit dem unsagbaren Verlust zu leben. Ein langer Prozess erfordert langen Beistand für Eltern und Geschwister, die zurückbleiben und bald von der Umwelt vergessen sind. Für diese Menschen sind wir da, solange sie uns brauchen. Auf unserer Internetseite bieten wir ebenfalls Raum für alle Hilfesuchenden an. Die Bereitschaft, unseren Verein finanziell zu unterstützen, ist so gut wie nicht gegeben, die Nachfrage betroffener Familien nach Unterstützung jedoch tendenziell steigend. Die Anfragen bei uns erweitern sich auf helfende Berufe wie Therapeut/ innen, Kliniken, Polizei, Schulen, Krisenintervention und Bestatter/innen. Unsere Sachkompetenz ist dort inzwischen anerkannt, unsere jahrelange Erfahrung ist immer mehr gefragt. International gesehen sind wir der einzige so stark vernetzte Dachverband und somit gefragter Ansprechpartner für dieses schwierige Thema.

Unsere Kapazitäten sind erschöpft und wir benötigen dringend Unterstützung, um die vielen Anfragen kontinuierlich und auf qualitativ hohem Niveau abzusichern. Es ist keinesfalls möglich, unsere vielfältigen Aufgaben nur durch ehrenamtliche Tätigkeit zu leisten. Wir benötigen Gelder für Lohnkosten, Miete, Energie, Telefon, Internet, Büromaterial und Fachliteratur. Gegenwärtig erhalten wir eine Pauschalförderung von der GKV, die gemessen an unseren Ausgaben leider nicht ausreichend ist. Immer wieder unternehmen wir Anstrengungen, um Sponsoren für unsere Arbeit zu finden. Leider ist die Resonanz darauf sehr gering. Mögliche Sponsoren teilen uns auf unsere Anfragen hin meistens mit, dass sie unsere Tätigkeit anerkennen, aber sie bereits andere Projekte unterstützen und auch ihre Mittel begrenzt sind.

Dafür haben wir Verständnis und es ist für uns nachvollziehbar, man investiert lieber in Themen, die lebendiger sind. Unser Eindruck ist, dass unser schwieriges Thema in der Gesellschaft zu wenig Beachtung findet.

Es wird sehr unterschätzt, welch umfangreiche Hilfen Betroffene brauchen, um wieder in ein annehmbares Leben zurückzufinden. Uns geht es darum, die Familie als Gesamtheit zu betrachten. Kaum jemand erkennt, dass Eltern, die ein Kind verloren haben, so stark von der Trauer um das tote Kind vereinnahmt werden, dass sie große Probleme haben, ihren lebenden Kindern gerecht zu werden. Damit Geschwisterkinder gesund aufwachsen können, müssen zunächst die Eltern gestärkt werden. Uns geht es darum, dass Familien an diesem Verlust nicht zerbrechen. Das alles ist ein schwieriger Prozess, der umfangreiche Begleitung erfordert und langwierig ist. Zunehmend stellt sich für uns die Frage, wer sich in unserer Gesellschaft für unser Thema zuständig fühlt.

Jedes Jahr schreiben wir deutschlandweit Gerichte an, um in die Liste der Bußgeldempfänger/innen aufgenommen zu werden. Leider kommt es nur äußerst selten vor, dass wir Zuwendungen aus Bußgeldern erhalten.

Unsere regelmäßige Finanzierungsquelle sind neben der Pauschalförderung die Mitgliedsbeiträge unserer Vereinsmitglieder, die keineswegs ausreichend sind. Wir benötigen finanziell gesehen eine solidere Basis als bisher, um unserer Arbeit die nötige Stabilität zu verleihen und auch in ansprechender Qualität tätig zu sein. Vielleicht können Sie uns wertvolle Hinweise geben, die uns helfen, unser Anliegen voranzubringen und unsere Arbeit perspektivisch gesehen abzusichern.

Petra Hohn, 1. Vorsitzende
Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V., Roßplatz 8 a, 04103 Leipzig
Tel: 03 41 / 946 88 84
E-Mail: kontakt@veid.de
Internet: www.veid.de

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